„Gründerland Deutschland“: Neuer Tiefstand an Gründungswilligen

Das Kleinunternehmertum ist das Rückgrat der Wirtschaft. Verheerend, wenn das Interesse an der Selbstständigkeit nachlässt. Doch leider nimmt momentan die Anzahl an Gründungsinteressierten ab. Vor wenigen Tagen vermeldete der DIHK in Ihrem Gründungsreport 2016 einen neuen Tiefstand an Neugründungen.

Insgesamt ist die Zahl der Erstgespräche, welche der DIHK geführt hat, um 10 % gesunken. Die derzeitig vorliegende gute Konjunktur ist laut dem DIHK ein Grund für den Tiefstand. Traditionell gründen viele Menschen aus der Arbeitslosigkeit heraus. Auch im letzten Jahr sind 57 % aller Gründungen auf diese Weise entstanden.

Sinkende Qualität der Gründungsvorhaben nimmt zu

Laut DIHK sinkt nicht nur die quantitative Anzahl an angemeldeten Gründungen, auch die Qualität der vorgelegten Gründungskonzepte nimmt deutlich ab. So können wohl weniger als 66 % aller Gründer einen Kundennutzen erörtern und nur 25 % ihre Produktidee darlegen. Das Gute sei, dass der Anteil an jungen Unternehmern, die aus Mangel an Alternativen in die Selbstständigkeit gehen, abnimmt. Die meisten derer machen sich selbstständig, weil sie Unternehmer sein und ihre Ideen umsetzen wollen.

Frauen gründen lieber im Nebengewerbe

Betrachtet man bei Gründungen den Frauenanteil, liegt dieser immer noch etwas niedriger als derer von Männern. 42 % aller Einstiegsgespräche wurden mit Frauen geführt. Was auf den ersten Blick als ein erfreulich hoher Wert erscheint, ist auf den zweiten Blick eher ernüchternd: Praktisch werden insgesamt nur 28 % aller Gründungen von Frauen vorgenommen. Als Grund für die geringe Umsetzung des Vorhabens, gaben die Befragten als Herausforderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf an. Aufgrund der einfacheren Umsetzung, starten die meisten Frauen ihr Vorhaben im Nebengewerbe. Dies lässt sich zum Teil mit dem bei Frauen stärker ausgeprägten Respekt vor unternehmerischer Selbständigkeit erklären. Männer gehen dabei oft größere Risiken ein, planen nicht so sehr ins Detail und beschäftigen sich weniger mit Dingen, die schiefgehen könnten. Sie konzentrieren sich stärker auf die Umsetzung der Idee. Interessant erscheint hier der Report „Firmeninsolvenzen 2015“ von Bürgel: Männer führen Firmen doppelt so oft in eine Insolvenz wie Frauen.

„Laut Analyse melden 85 je 10.000 (0,85 Prozent) Unternehmen mit einem oder mehr männlichen Entscheidern (z. B. Geschäftsführer oder Inhaber) eine Insolvenz an – im Vergleich dazu sind es nur 42 je 10.000 Firmen(0,42 Prozent) mit einer oder mehreren Frauen in der Führungsetage.“
(Quelle: https://www.buergel.de/sites/default/files/aktuelles/studien/firmeninsolvenz)

Der DIHK sieht die Ansatzpunkte für Änderungen des Problems hauptsächlich an mehreren Stellen. Zum einen will der DIHK mehr Frauen in die Selbständigkeit bringen und zum anderen sollen die bürokratischen Hürden abgebaut werden.

Mehr Betreuungseinrichtungen für Kinder sollen Frauen zur Gründung ermutigen

Frauen soll der Zugang zur Selbstständigkeit erleichtert werden, indem mehr Betreuungsplätze und Ganztagesstätten geschaffen werden. Das ist ein nützlicher Ansatz, doch stellt sich die Frage, ob nur fehlende externe Betreuungsmöglichkeiten das Problem sind. Vernachlässigt wird mit diesem Vorschlag, dass Frauen immer noch den Hauptteil der Kinderbetreuung übernehmen. Glücklicherweise befindet sich dieser Zustand momentan im Umbruch; Frauen sind aber immer noch wesentlich verantwortlich für Haushalt und Kinderbetreuung. Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen oder Erkrankungen des Kindes können dabei als Gründe genannt werden, weshalb Frauen womöglich unflexibler sind. Mehr Betreuungseinrichtungen zu errichten ist ein Schritt in die richtige Richtung; Die Ursache, wieso Frauen tendenziell weniger Risiko eingehen und weniger gründen, liegt möglicherweise in der Mentalität und dem Geschlechterverständnis.

Bürokratieabbau für mehr Beginnende Selbstständige

Tatsächlich schreckt der hohe Bürokratieaufwand viele von der Selbstständigkeit ab. Diesen zu vereinfachen ist ein guter Ansatz, um ein größeres Interesse an der Gründung eines Unternehmens zu erzeugen. Wir engagierten Gründerbegleiter nutzen jede Gelegenheit, dieses Thema zu platzieren. Menschen, die den Mut haben etwas zu starten, sollten nicht durch Hürden, Regularien und praxisfremde Sachbearbeiter ausgebremst werden.

Je nach Geschäftsbereich benötigt man verschieden Genehmigungen, um seiner Geschäftsidee nachzukommen. Die Verteilung der Zuständigkeiten unter den Behörden ist nicht nur verwirrend, sondern auch sehr zeitintensiv. Der DIHK schlägt deshalb vor, alle Genehmigungen rund um die Selbstständigkeit selbst zu verwalten. Insgesamt sollen so alle organisatorischen Dinge innerhalb eines Monats geklärt werden. Die IHK-Stellen bilden die Zentralen, da sie bereits der erste Anlaufpunkt für potenzielle Selbstständige sind.

Weiter soll die Bilanzierungspflicht erst ab einem Jahresgewinn von 60.000 € bzw. einem Jahresumsatz von 600.000 € bestehen. Bis dahin soll eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) ausreichen. Erfahrungsgemäß geben Selbstständige, sofern sie nicht selbst in der Buchhaltungs- oder Steuerberatungsbranche tätig sind, diese Arbeit sehr früh an Experten ab, weswegen diese Erhöhung gerade jungen Unternehmen nicht sehr viel Aufwand ersparen wird.

Der letzte Vorschlag zum Bürokratieabbau ist die Umsatzsteuervoranmeldung statt monatlich vierteljährlich abzugeben. Jeder, der nicht umsatzsteuerbefreit ist und diese noch selbst anfertigt, kennt das Dilemma am Monatsanfang. Man beginnt sämtliche Belege zusammenzusuchen und diese in die Umsatzsteuererklärung einzuarbeiten. Diese Arbeit nur viermal im Jahr durchführen zu müssen, spart besonders jungen Unternehmen, sehr viel Zeit, welche wieder in die Kundenakquise und das Unternehmen selbst konzentriert investiert werden kann.

Eine vorgeschlagene Erhöhung der GWG auf 1.000 €, ist auch eine Erleichterung, wenn es um steuerliche Vorteile geht. Eine langwierige und aufwendige Abschreibung nach mehreren Jahren für Güter, die teilweise schon nach 1-2 Jahren wieder ersetzt werden, entfällt.

Vereinfachung von dem Einsatz von “Venture Capital” für eine einfachere Investorensuche

Ca. 37 % aller Unternehmensgründer, weisen Defizite in der Finanzierung auf. Um besonders den innovativen und kostenintensiven Unternehmensgründungen mehr unter die Arme zu greifen, schlägt der DIHK vor, mehr Möglichkeiten für privates Beteiligungskapital zu schaffen. Dazu empfiehlt der DIHK die hohen Hürden im Steuerrecht, die für Kapitalgeber gelten, zu reduzieren. Ursprünglich sollte das Venture-Capital Gesetz entstehen, um den Zugang für finanzielle Mittel für Gründer und Investoren zu erleichtern. Dieses Gesetz wurde vorerst von der Bundesregierung auf Eis gelegt. Vielleicht hätte gerade so ein Gesetz, für einen Anstieg an Gründungen gesorgt. Besonders technische Innovationen benötigen in der Regel ein hohes Startkapital, welches durch Venture Capital generiert werden könnte.

Unternehmer als Traumberuf

Von klein auf verknüpfen die meisten Menschen Selbstständigkeit mit viel Arbeit, wenig Zeit und viel Risiko. Das Zusammenbringen von Schülern mit Unternehmern soll dieses Vorurteil beheben. Durch den Austausch sollen die Schüler den Unternehmer wie beispielsweise den Feuerwehrmann als Vorbild betrachten. An einigen Schulen werden solche Projekte bereits umgesetzt. Projekte wie „Jugend gründet“, „business@school“, „Deutscher Gründerpreis für Schüler“ oder „GründerKids“ der DKJS wecken Interesse am Unternehmertum, stärken Kreativität und fördern Ideenreichtum.

Damit sich Kinder und Unternehmer auf Augenhöhe begegnen, muss eine gute ökonomische Schulbildung gewährleistet werden. Um dies zu erreichen, müssen die Lehrpläne an die heutigen Bedürfnisse angepasst werden. Ein Mammutprojekt, an dem sich die einzelnen Länder schon seit vielen Jahren die Zähne ausbeißen, da das Bildungswesen eine eingefahrene Maschine ist, deren neue Kalibrierung sich als unglaublich schwierig herausstellt.

Da meckern aber nicht viel nutzt, fangen wir bei uns selbst an: Wir beschäftigen uns sehr gerne mit Kinder- und Jugendprojekten, welche sich dem Unternehmergeist widmen: u. a. einige Jahre als Jurymitglied von Jugend Gründet, beim Projekt „Think Big“ der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, beim Deutschen Gründerpreis für Schüler und beim Malteser-Projekt Fit in Fair Play.

Mein Fazit: Respekt vor dem Weg in die Selbstständigkeit ist gut, Angst aber unbegründet. Wenn ihr eine Idee im Kopf habt, meldet Euch einfach bei uns. Dafür gibt es keine Rechnung – dafür aber Tee, Wasser oder Kaffee. Oder ein Bier.

Posted on 6. Juni 2016

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