Gedanken-Rampe

Laut gedacht von Raketen-Coach Danielle Schönfeld.

Ordnung im Papier ist Ordnung im Kopf – vom Kinder-Ich zum Erwachsenen-Ich bis hin zur Ästhetik der Ordnung

Aufräumen. Ordnung machen. Hört das denn nie auf? Ich erinnere mich, dass ein Vater mir mal erzählt hat, dass Ordnung scheinbar manchen angeboren ist und anderen vielleicht nicht. Er hatte seine eigene kleine Statistik. Vier Kinder. Bei gleicher Erziehung hatten zwei Kinder ein gutes Verhältnis zur Ordnung und zwei Kinder wollten es nicht begreifen. Begreifen. Was hat das Wort in sich? Greifen mit den Händen, begreifen. Anpacken, wegheben, wegtragen. Was war wohl das Erste, das wir in Ordnung bringen mussten? Unsere Spielsachen. Was brachte das oft mit sich? Schluss mit dem Spielen. Auch wenn wir beim Aufräumen gern Dinge wiederentdeckten und dann vom Räumen, ins Träumen, ins Spielen kamen. An manchen Tagen war das vielleicht das Kalkül unserer Mütter. Dann war eine Weile Ruhe. Oder es baute Leistungsdruck auf, weil das Ergebnis klar war, nicht aber der Weg.

Hat euch jemand gezeigt wie Aufräumen geht? Es gab sicher Boxen und Verpackungen. Das bedeutet bei gewissen Dingen war das Ordnungssystem klarer zu erkennen als bei anderen? Aber wem wurde vor dem Chaos eines Kinderzimmers stehend, wirklich das Aufräumen beigebracht, die Systematik, und da gibt es nicht nur eine, erklärt?

Zum Beispiel das Anfangen an einer Ecke, oder das Sortieren von gleichen Dingen, auf Haufen oder in Grüppchen packen.

Wenn es den meisten ging wie mir, dann war da „planloses irgendwo anfangen“ und irgendwie passte es am Ende. Aber ich erinnere mich an das Überforderungsgefühl. Mit sechs Jahren kannte ich das Wort noch nicht. Aber als ich es das erste Mal bei meiner Ausbildung zur Systemischen Beraterin hörte, da wusste ich, Ja, das beschreibt mein Gefühl von damals. Subjektive Geschichten sind nie wahrheitsgemäß. Wer weiß, wie oft mir meine Mutter was erklärt hat. Das ist alles vergessen. Das Gefühl mit der Überforderung und auch Angst vor der Konsequenz, wenn es nicht aufgeräumt ist, das ist mir deutlicher in Erinnerung. Verlorene Bauelemente oder fehlende Puzzelteile oder noch schlimmer, etwas wurde weggeworfen, der Staubsauger hat es gefressen. Die Sache mit dem Aufräumen. Es war eine Pflicht. Es hatte immer was mit Strenge und mit Maßregeln zu tun.

Ein chaotischer oder liebevoller formuliert, ein kreativer Typ, wie ich wurde im Ausbildungsleben mit den DIN-Normen, Sortiervorschriften und dem Ordnungssystem einer Sekretärin vertraut gemacht. Was sich nebenbei einschlich war, dass ich die Angst vor Papierkram verlor. Vor allem, weil ich keine Angst vor Verlust zu haben brauchte. Es gab Häufungen, Sortiersysteme, Abläufe und Zettel und Stift. Heute gibt es natürlich all die Systeme auch digital. Kollege Peter, verzeih mir meinen Verbleib in der haptischen und analogen Welt. Begreifen, es passiert etwas über die Verbindung zwischen Hand und Gehirn und dem körperlichen Bewegungsapparat. Es verinnerlicht sich, es wird erfahren.

Mir wurde von allein irgendwann klar, dass ich meine Überforderung und Angst vor der Steuererklärung nur reduzieren kann, indem ich mich von Anfang an auf das Ergebnis vorbereite. Was muss am Ende alles da sein? Wie kann ich es, wenn es Brief für Brief im Postkasten oder im Emailfach ankommt, auffindbar machen? Später machte ich eine Erfahrung über die Ruhe in Ordnung und Design. Aber in mir war die Stimme von „Du kannst dir nur selbst helfen gar nicht erst Überforderung entstehen zu lassen“. Ich überlistete mich. Ich bediente das Kinder-Ich, das Spiel-Ich ohne, dass ich wusste, dass ich das tat. Durch die Sekretariatsausbildung war ich natürlich mit Postbearbeitung vertraut, also besorgte ich mir einen Brieföffner, der cool aussah, den ich gern anfasste und freute mich auf den Klang von sauber öffnenden Briefumschlägen, dann kaufte ich Postfächer, aber keine, die nach Arbeit und Büro aussahen, sondern die mir gefielen und eher dekorativ ins Wohnzimmer passten. Später wurden es Boxen, die viel schöner aussahen und dort wurden die Briefe und Belege gleich immer reingelegt. Es musste in meinen Alltag passen. Ich komme zur Tür rein, Schlüssel ablegen, Schuhe ausziehen, Jacke aufhängen, Brieföffner gleich am Eingang, Briefe öffnen und dann Überweisungen gleich oben auf die Ablage mit leichtem Zugriff, Bestätigungen oder Belege in die Schlafbox bis sie zur Steuererklärung geweckt werden. Ordnung im Papier, macht Ordnung im Kopf. Es ist abgelegt, es ist sicher, es wartet mit Papiersgeduld bis zum Sankt Nimmerleinstag.

Ich habe Rechnungen, Belege und Unterlagen in Autos im Fußraum zwischen Kindersitzen in den Seitentaschen und rausquellend aus Taschen und in Regalen gesehen. Das kann man alles machen. Aber wenn man Unternehmer oder Unternehmerin sein will, muss man sich disziplinieren. Wieder in der Ausbildung zur systemischen Beraterin kam ich in Verinnerlichung mit dem Arbeitsbegriff in Handeln kommen, Klientensysteme aus der Problemspirale oder der Starre ins Handeln zu bringen.

Ich finde es spannend, wenn ich eine Gründerin oder einen Gründer kennenlerne, die sich gegen Papierkram sträuben. Es stellt sich bei mir die Frage, wieso sperrt sich die Person in dem Bereich dagegen ins Handeln zu kommen?

Gern coache ich, wenn jemand Angst vor Ordnung hat. Es gibt die drei Stadien, aus denen heraus wir agieren, dem Kinder-Ich, dem Erwachsenen-Ich und dem Eltern-Ich oder Über-Ich.

Meine Hypothese ist, wer keine Ordnung halten will, ist im Kinder-Ich und/oder hört das maßregelnde Eltern-Ich und rebelliert oder fühlt sich gehetzt, belehrt und bewertet.

Als Unternehmer oder Unternehmerin müssen wir die Verantwortung eines Erwachsenen übernehmen. Das Finanzamt fragt nicht nach Befindlichkeiten. Es gibt Pflichten und wenn denen nicht nachgekommen wird, kommen die Forderungen und Konsequenzen und die sind in der Regel nicht, heute Abend kein Sandmann!

Weiter oben habe ich geschrieben, ich hätte aus dem Kinder-Ich heraus schöne Boxen und Sortiersysteme etabliert. Ja, ich habe das Kinder-Ich mit seinem Spiel- und Basteltrieb ins Team geholt um meiner Pflicht im Erwachsenen-Ich nachzukommen. Wir haben unsere Stärken verbunden und haben eine Aufgabe erledigt. Es gab kein Theater und Gemurre: Ich will nicht! Ich will nicht! Ich will nicht!

Als kreativer Mensch, deren Kopf nie stillsteht oder aufhört zu grübeln, ausgestattet mit einem starken Empfinden für Ästhetik, wurde mir in minimalistischer Architektur oder das Leben in einem Land, das Design und Ordnung in allen Facetten des Lebens mit Schönheit und nicht mit Pflicht lebt, bewusst, wie beruhigend Ordnung, Klarheit und Struktur auf einen Kopf voller Ideen wirkt. Noch einmal. In der Systemischen Sichtweise nennt man das Reframen. Ich sah Ordnung mit anderen Augen. – Achtung subjektives Gefühl – Es war nicht die deutsche getrimmte behördliche starre Ordnung, die mich als Bürger per se anklagt und ich mich verteidigen muss. Es war Schönheit, Ästhetik, Freude und Leichtigkeit in der Ordnung. Es wurde verdesignte, verschönte Ordnung betrieben. Ordnung als Einrichtungsstil. In der Zeit wurden mir auch die Methoden von Design Thinking, Prototyping, Business Canvas, Manufacturing, Work 2.0 oder wo sind wir denn gerade, vertraut. In einem eigenen Startup machte mir all mein Geschäftsleben plötzlich Spaß. Die Bücher zu oben benannten Themen sahen nicht mehr aus wie die Lehrbücher vom Springer Verlag oder Oldenbourg. Im Studium geht es nicht anders. Fachbücher sollen Fachbücher sein. Aber später, wenn man sich Wissen aus purer Freude und Neugier, ja mit Wissensdurst aneignet, darf es auch durchaus ansprechend sein. Die Ästhetik der Wissensvermittlung. Dazu vielleicht später eine neue Gedankenrampe.

Hand auf’s Herz, wer hat nicht schon wie wild geputzt als es hieß Bericht oder Hausarbeit schreiben oder für die Prüfung lernen? Das ist Prokrastination. Aber es ist auch ins Handeln kommen. Man umgeht des Überwältigungsgefühl indem man eine Arbeit macht, die schneller Aussicht auf Erfolg hat. Man trickst sich ein bisschen aus. Das Belohnungssystem des Gehirns sagt, geschafft!!! Man schafft aber auch Ordnung um sich herum. Das wiederum macht frei fürs Denken.

Ein ordentlicher Schreibtisch und Raum lenken weder Auge noch Gehirn ab. Es muss sich nicht damit beschäftigen zu systematisieren. Es ist weg und es muss auch nicht im Gehirn als Information verarbeitet werden. Es gibt Rechenkapazität frei.

Fazit. Angst vor Ordnung ist es immer wert zu reflektieren. Bin das ich? War das schon immer so? Ist das wirklich wahr, dass ich und Ordnung nicht zusammengehören? Gibt es da Störungen in der Beziehung oder Anhaftungen? Kann man sich über die drei Ichs vielleicht annähern? Ist Versöhnung notwendig? Schon einmal über die Ästhetik von Ordnung nachgedacht und den Klang von Ruhe in Ordnung vernommen? Wird es vielleicht Zeit die Beziehung zu reframen – in einen anderen Rahmen zu setzen, einen anderen Blickwinkel einzunehmen, sich aus der Opferrolle herauszubegeben und es mit Leichtigkeit anzugehen?

Text: Danielle Schönfeld Fotos: Gründer-Rakete

Posted on 1. Oktober 2020

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